Das Landgericht in Halle, in dem zur Zeit des Nationalsozialismus die Erbgesundheitsgerichte abgehalten wurden.
Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses war der Beginn der Umsetzung einer nationalsozialistischen Eugenik und Teil einer größeren Vernichtungsmaschinierie, die in der weiteren Eskalation auch als „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ in den Krankenmorden im Nationalsozialismus sowie der planmäßigen Ermordung von Juden, Sinti und Roma gipfelte.
Während laut Gesetz auch Betroffene selbst einen entsprechenden Antrag an ein Erbgesundheitsgericht stellen konnte, waren es in der Praxis verbeamtete Ärzt*innen und Leiter*innen von Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten, die die Zwangssterislierung ihrer Patient*innen beantragten.
Bis Mai 1945 wurden in Deutschland zwischen 300.000 und 400.000 Menschen durch Urteile der Erbgesundheitsgerichte zwangssterilisert, die häufigste vorgeschobene Diagnose war dabei bei über der Hälfte der Betroffenen „Schwachsinn“, darunter fielen eine Vielzahl von geistigen Behinderungen. Infolge der Zwangssterilisierungen und auftretenden Komplikationen kamen 5.000 bis 6.000 Frauen und 600 Männer ums Leben.
Das heutige Landgericht Halle befindet sich am Hansering 13. Ursprünglich hieß die Straße auch Preußenring, bis sie 1933 in Adolf-Hitler-Ring umbenannt wurde, ein Name den die Straße bis 1945 behielt, während das Landgericht in dieser Zeit als sogenanntes Erbgesundheitsgericht benutzt wurde.
Der Baubeginn des Gebäudes liegt mit 1901 noch in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs, der Architekt war der königliche Landbauinspektor Karl Ilert. Die auffälligen Farben und Ausschmückungen des Gebäudes war einerseits eine bewusste Entscheidung Ilerts, der die Vielfarbigkeit als Gestaltungsmittel wieder aufleben lassen wollte, andererseits war die etwas prunkvollere Ausführung durch ein flaues Baugeschäft nicht wesentlich teurer als der ursprüngliche Kostenvoranschlag. Das Gebäude verbindet Gotik, Rennaissance und Jugendstil und weist neben dem Dreiecksgiebel, der für Justizia (Gerechtigkeit), Veritas (Wahrheit) und Sapientia (Weisheit) steht auch mit Portraits von Rechtsgelehrten auf die Funktion des Gebäudes hin.
Am 03.03.1934 wurde das Gebäude als hallisches Erbgesundheitsgericht eröffnet. Die Saale-Zeitung titelte zur Eröffnung mit "Erbgesundheitsgericht wacht!" über die grausame neue Funktion des Gebäudes. Die Erbgesundheitsgerichte im Dritten Reich wurden auf der Grundlage des sogenannten Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses eingeführt, die Hauptaufgabe war die Entscheidung über die Zwangssterilisation von Menschen, denen nach der nationalsozialistischen Ideologie Nachkommen verwehrt werden sollten. Betroffen waren vor allem Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, Patienten psychiatrischer Einrichtungen und alkoholkranke Menschen.
Das Zuständigkeitsgebiet des Erbgesundheitsgerichtes in Halle umfasste das Stadtgebiet und den heutigen Saalekreis, bereits in den ersten vier Monaten des Jahres 1934 gingen 595 Anzeigen beim Gesundheitsamt Halle ein, davon wurden 200 an das Erbgesundheitsgericht weitergereicht. Vor allem beamtete Ärzte und Leiter von Kranken- und Pflegeanstalten konnten durch das Antragsverfahren eine Zwangssterilisation erwirken, grundsätzlich waren aber auch gesetzliche Vertreter und Pfleger dazu berechtigt, für die Opfer dieses Gesetzes einen Antrag einzureichen.
Die überwiegende Zahl der durchgeführten Zwangssterilisationen und Operationen, die durch das Erbgesundheitsgericht Halle angeordnet wurden, fanden in den Kliniken statt, die im Rahmen dieser Stadtführung vorgestellt werden.
Horst Schumann war einer der Amtsärzte, die im Erbgesundheitsgericht Halle verantwortlich waren. Im Nationalsozialismus war dies nur der Beginn seiner Karriere, die viele Menschen das Leben kostete.
Das Landgericht in Halle, in dem zur Zeit des Nationalsozialismus die Erbgesundheitsgerichte abgehalten wurden.
Horst Schumann war ein Arzt aus Halle, der vom Erbgesundheitsgericht Halle aus im Nationalsozialismus Karriere gemacht hat bis hin zu einer der verantwortungsvollsten Stellen im System der „Euthanasie“.
Schumann wurde am 01.05.1906 in Halle Trotha geboren und erhielt im Juli 1932 seine Approbation. Nachdem er von 1932 bis 1933 als Assistenzarzt tätig war, unter anderem am St. Elisabeth-Krankenhaus in Halle, fing er im März 1934 am Erbgesundheitsgericht in Halle eine Stelle als Arzt an. Hier wirkte er an den Zwangssterilisationen mit, die durch das Gericht beschlossen wurde und machte dabei gleichzeitig Karriere in der NSDAP.
Auf dieser Grundlage wurde ihm im Oktober 1939 der Aufbau und die Leitung der Tötungsanstalt Grafeneck in Württemberg übertragen, in der unter seiner Leitung systematisch 1.239 Menschen mit Behinderung durch Kohlenmonoxidgas ermordet wurden. Schumann nahm selbst an der konkreten Durchführung dieser von den Nationalsozialisten sogenannten "Euthanasie" teil, auch durch Einlassen von Gas in die Gaskammern.
Ab Juni 1940 wurde Horst Schumann als neuer Leiter der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein eingesetzt, wo unter seiner Leitung nicht nur 13.720 Menschen mit geistigen Einschränkungen und Psychatrie-Patient*innen, sondern auch über 1.000 KZ-Häftlinge ermordert wurden, teilweise von Schumann persönlich selektiert.
Horst Schumann war auch für Experimente verantwortlich, bei denen im Konzentrationslager Auschwitz Sterilisierungsversuche durch Röntgenstrahlen durchgeführt wurden. Die Versuche, die an jüdischen Männern und Frauen durchgeführt wurden, führten in vielen Fällen zu schmerzhaften Verletzungen bis hin zum Tod.
Schumann geriet im Januar 1945 als Truppenarzt in Kriegsgefangenschaft, aus der er aber noch im selben Jahr entlassen wurde. Er konnte nach 1945 unbehelligt nach Gladbeck ins Ruhrgebiet ziehen, wo er als Knappschaftsarzt tätig war. 1951 erging schließlich der Haftbefehl gegen Schumann, die zögerlichen Ermittlungen ermöglichten ihm jedoch eine Flucht zunächst nach Japan, später über den Sudan und Liberia nach Ghana. Seine Auslieferung nach Deutschland erfolgte erst 1966.
1970 begann der Prozess gegen Horst Schumann, die Zahl der von ihm in den sogenannten „Euthanasie“-Anstalten Ermordeten wurde auf 15.800 Opfer eingeschätzt. Der Prozess wurde nach 7 Monaten abgebrochen, Schumann sei wegen seines hohen Blutdrucks verhandlungsunfähig. Die Staatsanwälte zweifelten die entsprechenden Gutachten an und warfen Schumann vor, den Blutdruck selbst erhöht zu haben. Bis 1972 folgten zahlreiche weitere Gutachten über Schumanns Verhandlungsfähigkeit, er wurde dann jedoch am 29.07.1972 aus der Haft entlassen. Am 05.05.1983 verstarb Schumann in Frankfurt am Main.
Die Klinik am Weidenplan war eine urologische Klinik, die vor allem auf Privatpatient*innen ausgelegt war. Der Vorgänger der Klinik befand sich zunächst in der Grünstraße (heute Ernst-Kromayer-Str.), nach dem Umzug wurde die Klinik im Weidenplan 6 am 21.10.1911 offiziell eröffnet.
Die Initiatoren und Begründer der Klinik waren Bruno Lehmann, Otto Kneise und andere Ärzte. Als erste Klinik mit dem Hauptfach Urologie gilt die Klinik heute als wesentliche Grundlage zur Etablierung dieser Fachrichtung in Deutschland.
Das Gebäude war baulich und unter sozialen Gesichtspunkten fortschrittlich und verfügte über 100 Betten, zwei moderne Operationssäle, einen Röntgenbereich, Ambulanzen, einen poliklinischen Bereich sowie ein chemisches und pathologisches Labor.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Klinik für die Sterilisation von Männern durch operative Eingriffe genutzt.
Die Urologische Klinik an diesem Standort zog 2001 in den heutigen Standort der Klinik für Urologie am Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau in der Röntgenstraße 1 in Halle um. Nach einer Sanierung wird das Gebäude heute als Wohnhaus genutzt, an der seitlichen Fassade erinnert der Schriftzug „Urologische Klinik Weidenplan“ an die Geschichte des Gebäudes.
Das Universitätsklinikum von Halle befand sich zunächst am Domplatz, dem heutigen zoologischen Institut der Universität. Im Jahr 1878 ergaben sich durch das Ende des deutsch-französischen Krieges finanzielle Möglichkeiten, durch die die Uniklinik aus dem inzwischen zu klein und marode gewordenen Gebäudes in einen neu errichteten Komplex an der Magdeburger Straße umziehen konnte.
Das heutige Gebäude hat sich äußerlich seit dem Neubau viel verändert, in der ersten Version hatte es nur zwei Stockwerke. 1879 konnte Direktor Robert Michaelis von Olshausen mit drei Assistenten in die moderne Klinik mit Hebammenschule einziehen. Das Nebengebäude, das heute noch sichtbar ist, war die Dienstvilla des Direktors, die über einen unterirdischen Verbindungsgang mit der Klinik verbunden ist. 1917 wurde die Frauenklinik um einen Anbau für „septische Fälle“ erweitert, darin befand sich auch ein Operationssaal im Obergeschoss mit Fahrstuhl.
Während der NS-Zeit verfügte die Klinik über 102 planmäßige Betten auf den vier Stationen der operativen, konservativen, septischen und geburtshilflichen Abteilungen. Tatsächlich waren sogar 193 Betten vorhanden, von denen im Jahr 1936 durchschnittlich 160 belegt waren.
Die erste Unfruchtbarmachung in der Universitäts-Frauenklinik im Rahmen der Erbgesundheitsgerichte erfolgte im April 1934. Bis zum März 1945 wurden insgesamt 1.417 Frauen und Mädchen für eine Zwangssterilisation stationär aufgenommen. Die häufigsten angegebenen Diagnosen, die zur Legitimierung der erzwungenen Sterilisationen dienten, waren angeborener Schwachsinn (72%), erbliche Fallsucht (12%) und Schizophrenie (7%).
Der größte Anteil der Betroffenen wurde durch einen operativen Eingriff unfruchtbar gemacht, nur in 19 Fällen wurde eine Sterilisation mit Röntgenstrahlen vorgenommen. In 86 Fällen wurde zudem ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen. Bei den Eingriffen traten bei 71 der Betroffenen Komplikationen auf, drei Frauen starben an den Folgen der Operation. Der große Teil der Frauen war zwischen 21 und 25 Jahre alt, es gab jedoch auch Ausnahmen. Die jüngste Betroffene einer Zwangssterilisierung an der Uniklinik war ein Mädchen im Alter von 10 Jahren. Außerdem wurde der Eingriff bei zwei 11-Jährigen, drei 12-Jährigen, acht 13-Jährigen sowie einer Frau im Alter von 50 Jahren vorgenommen. Die betroffenen Frauen kamen zumeist aus unteren sozialen Schichten.
Das Gebäude der ehemaligen Universitätsfrauenklinik in der Magdeburger Straße 24 wird heute als Verwaltungsgebäude des Medizin-Campus am Steintor genutzt. Das alte Eingangsportal mit der Aufschrift „Universitätsfrauenklinik“ ist weitestgehend erhalten geblieben.
Der Komplex, der die Chirurgische Universitätsklinik umfasst, wurde 1876 bis 1884 errichtet. Die Gebäude entstanden unter der Leitung und Planung von Ludwig von Tiedemann und Emil Streichert. Gemeinsam mit der Frauenklinik nahm die - Chirurgische Uniklinik 1878 als erste der neuen Einrichtungen den Betrieb auf.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Gebäude weder renoviert noch umgebaut, was unter anderem dazu führte, dass viele qualifizierte Ärzte die Einrichtung verließen. Die Personalsituation verschärfte sich zusätzlich durch den Zweiten Weltkrieg, es blieben nur der Klinikdirektor, ein Oberarzt und fünf Ärzte mit Fachausbildung. Es herrschte eine ständige Überbelegung, die auf 208 Betten ausgelegte Klinik war zeitweise mit 283 Betten im Einsatz. Trotz dieser Bedingungen wurde die Chirurgische Uniklinik weiterhin für Zwangssterilisierungen durch Urteile des Erbgesundheitsgerichtes in Halle genutzt.
Von 1937 bis 1945 wurde die Chirurgische Universitätsklinik von Ferdinand Wilhelm Wagner geleitet, der durch seine Tätigkeit Karriere in der NSDAP machte.
Das Gebäude der Chirurgischen Universitätsklinik in der Magdeburger Straße 16 wurde 2017 aufwändig saniert als Zahnklinik auf dem Gelände des Medizin-Campus am Steintor neu eröffnet. Ein Schild über dem Eingangsportal mit der Aufschrift „Chirurgische Universitätsklinik“ verweist auf die alte Funktion des Gebäudes.
Ferdinand Wilhelm Wagner wurde am 14. April 1899 in Eisleben geboren. Nach seiner Approbation im Jahre 1924 war er bereits ab 1926 an der Chirurgischen Uniklinik als Assistenzarzt tätig, im Jahr 1929 übernahm er die Röntgenabteilung.
Wagner trat im Februar 1933 in die NSDAP ein und war als Arzt bei der Sturmabteilung tätig. Ab 1934 konnte er als Gaudozentenführer die Personalpolitik der Fakultät durch politische Bewertung der Lehrkräfte entscheidend zu beeinflussen.
Die Geschäftsführung der Klinik übernahm Wagner ab 1937, 1939 wurde er außerdem zum Ordinarius und Direktor der Klinik ernannt. Wagner war vom September 1939 bis Juli 1940 im Kriegsdienst eingesetzt, bevor er an die Klinik zurückkehrte. Im Jahr 1945 war Ferdinand Wilhelm Wagner dann von Januar bis April weiterhin Rektor und zusätzlich Dekan der Klinik, bis er am 1. Mai 1945 von den Amerikanern verhaftet wurde.
Bis 1948 war Wagner in verschiedenen westdeutschen Lagern untergebracht, kam jedoch während der sogenannten Entnazifizierung wieder frei. Von 1948 bis 1956 war Wagner anschließend Chefarzt im evangelischem Krankenhaus in Wanne-Eikel, danach war er bis 1959 als Hochschullehrer an der Universität Kabul tätig. Im Jahr 1960 war er kurzzeitig Leiter des Burgberg-Sanatoriums in Bad Harzburg, bis er 1961 in den Ruhestand ging. Wagner verstarb am 26.2.1976 in Goslar.
Das heutige Diakoniekrankenhaus wurde am 4. April 1865 als Diakonissenanstalt gegründet, ein Jahr später wurde das Grundstück in der Nähe der Straße Am Kirchtor gekauft. Im Juli 1867 begannen die Bauarbeiten, die offizielle Einweihung fand am 15. November 1868 statt. Dieser Neubau gilt als das „erste moderne Großkrankenhaus Halles“.
Neben den Patient*innenzimmer besteht die Anlage aus einer Apotheke, Wohnungen für die Hausgeistlichen, Diakonissen, Büros, Wirtschaftsräume und einer Kapelle. 1933 wurde das Hilfsschwesternheim im Mühlweg 44 erworben und eingeweiht, in diesem Jahr waren 419 Schwestern in der Schwesternschaft. Am 12. Februar 1936 wird ein Krankenhausneubau in Gebrauch genommen.
Zur Zeit des Nationalsozialismus gibt es anfängliche eine Begeisterung für Hitler von Seiten des Diakonissenkrankenhauses, so schrieb der damalige Superintendent Schroeter in den „Blättern aus dem Diakonissenhause“:
„Das Opfer, der Dienst die Gemeinschaft sind die in unserer Schwesternschaft seit 76 Jahren gepflegten Höhenziele, die unser Volkskanzler Adolf Hitler unserem ganzen Volke einpflanzen will.“
Im Dezember 1937 wurden jedoch erste Zweifel laut, ob es sinnvoll sei, sich zu dieser Zeit zur Diakonisse ausbilden zu lassen, da Schwestern aus dem Nationalsozialismus vielerorts die aus Sicht der Diakonie wichtigen Stellen übernahmen. 1941 folgen direktere Einbußen, Kindergärten und Horte werden geschlossen, außerdem wird Produktion der „Blätter aus dem Diakonissenhause“ verboten.1944 folgen dann ernsthafte finanzielle Probleme, die Begeisterung für Hitler nahm mit der Zeit immer mehr ab.
Dennoch wurden zur Zeit der Erbgesundheitsgerichte auch im Diakonissenkrankenhaus Männer und Frauen durch operative Eingriffe zwangssterilisiert.
Das damalige Diakonissenkrankenhaus ist auch auch heute noch als Diakoniekrankenhaus Teil des Diakoniewerks Halle.
An dieser Stelle endet dieser digitale Spaziergang durch Halle. Weitere Informationen, sowohl zu anderen Themen aus der Zeit des Nationalsozialismus, als auch zur Zeit der DDR, finden Sie in der Gedenkstätte Roter Ochse. Informieren und Recherchieren sind ein wichtiger Bestandteil und oft ein erster Schritt für eine gelebte Erinnerungskultur, auch und gerade an Orten, denen man Ihre Geschichte nicht immer von außen ansieht.
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